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In der achten Folge von «Studi meets…» spricht Masterstudent Florian Horber mit Alumna Samira Marti über die Folgen des technologischen und demografischen Wandels für die Arbeitswelt.
Samira: Was ist für dich aktuell die grösste Herausforderung?
Florian: Der Umgang mit neuen Technologien. Zum Beispiel ist ChatGPT seit Anfang des Masterstudiums bei uns ein Thema, denn es kann sehr viel vereinfachen. Unsere Generation ist schnell damit vertraut, weil wir uns gewohnt sind, uns immer wieder neue Technologien anzueignen. Trotzdem wäre eine Schulung enorm wichtig, um sie wirklich produktiv einsetzen zu können. Gerade meine älteren Arbeitskolleg:innen haben Mühe damit.
Samira: Bei uns im Studium war es noch kein Thema und für mich ist es eine neue Welt. Ich probiere es manchmal aus, um Inspiration und Ideen zu finden, aber die Texte sind dann trotzdem nicht in meiner Sprache. Anfangs dachte ich: «Das machen die anderen, ich brauche das nicht.» Aber dann ist mir klar geworden, dass ich mich dem Fortschritt nicht jetzt schon in jungem Alter verweigern kann, sonst werde ich in ein paar Jahren komplett abgehängt (lacht). Mit dem technologischen Wandel steigt auch das Tempo, was zu immer grösseren Herausforderungen für Arbeitnehmende führt.
Florian: Es braucht einen Schutz für Arbeitnehmende, denn es betrifft vermehrt jene Arbeitskräft e, die nicht hochqualifi ziert sind. Man muss dafür sorgen, dass Betroff ene in andere Berufe umgeschult werden und nicht auf der Streche bleiben.
Samira: Wir können es uns wirtschaftlich gar nicht leisten, denn trotz technologischem Fortschritt sind der demografische Wandel und der Fachkräftemangel die grössten Herausforderungen für die Arbeitswelt. Es geht nicht nur um standardisierbare Jobs mit einfachen, vorhersehbaren Arbeiten, sondern auch um komplexere Bereiche. Wir sind darauf angewiesen, Leute in vom Strukturwandel betroffenen Jobs umzuschulen. Einerseits wegen der sozialen Verantwortung, andererseits auch aus wirtschaft lichem Interesse. Diese Themen fehlen mir in der ganzen Diskussion um die Zuwanderung.
Florian: Ja, aber wenn wir Leute aufnehmen, dann müssen wir auch die Kapazität haben, sie so gut wie möglich zu integrieren und nicht sich selbst zu überlassen, sonst entstehen politische Probleme.
Samira: Es gibt einen Unterschied zum Asylwesen, das ganz andere Herausforderungen und einen anderenpolitischen Auft rag beinhaltet. Da geht es um das Recht auf Schutz vor Verfolgung. Auf der anderen Seite geht es um die Personenfreizügigkeit und Fachkräfte. Der Grossteil der Zuwanderung in der Schweiz ist privat organisiert, und zwar über Arbeitnehmende, die von Schweizer Unternehmen und Institutionen gebraucht werden. Ohne sie müssten wir Kitas, Schulen oder Spitäler schliessen.
Florian: Sie sind auch eine zusätzliche Stütze für das Pensionssystem. Immigration ist für mich ein Teil der Lösung.
Samira: Menschen, die für einen Job in die Schweiz kommen, integrieren sich einfacher, da Arbeit ein zentraler Teil unserer Gesellschaft ist. Wer arbeitet, macht automatisch einen Integrationsschritt . Welche Herausforderungen hast du bei deiner Arbeit beim Roten Kreuz erlebt?
Florian: Ganz generell die Sprache. Das ist ein wichtiger Aspekt von Ungleichheit im Bildungssystem. Manche Leute verstehen elementare Dinge nicht und das macht es extrem schwierig, Anschluss an die Gesellschaft zu fi nden. Würdest du befürworten, dass wir Flüchtlingen früher eine Arbeitsbewilligung geben?
Samira: Ja, aber dadurch, dass viele Geflüchtete nur den Status der vorläufigen Aufnahme erhalten, werden sie in eine Art Standby-Modus befördert und können sich hier kaum ein Leben aufbauen. Und das, obwohl alle wissen, dass die meisten nicht mehr zurück gehen können. Die Kriege und Konflikte in Syrien, Afghanistan und anderen Ländern dauern seit Jahren an.
Florian: Wenn Menschen Rechte und Sicherheit haben, tätigen sie automatisch auch höhere Investitionen. Wenn alles temporär ist, nicht.
Samira: Das Gleiche gilt auch für Arbeitgebende. So viele Unternehmen suchen Personal. Wenn sie wüssten, dass eine Person bleiben darf, dann würden sie von Beginn weg mehr investieren. Die anfänglichen Hürden, insbesondere die Sprachkenntnisse, wären dann weniger hoch .
Florian: Diese Investition monetarisiert sich erst nach eins bis zwei Jahren, aber die Person muss auch so lange bleiben dürfen. Für kleinere Unternehmen ist diese Hürde oft mals einfach zu hoch. Das können nur die grösseren Unternehmen stemmen.
Autorin: Janine Hammer
Bilder und Video: Esteban Castle