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Dass ich 1986 Ernst Fehr in einer Wiener Beiz einen Heiratsantrag gemacht habe.
Keines von beidem. Vieles im Leben ist dem Zufall geschuldet. 2003 wurde mir eine Stelle an der ETH Zürich angeboten. Mein Arbeitsauftrag lautete damals, die experimentelle Forschung des Lehrstuhls zu geschlechtsspezifischen Unterschieden im Risikoverhalten zu betreuen. Ich dachte mir, warum nicht, und habe mich so richtig in das Thema eingegraben und ein eigenes Forschungsprogramm entwickelt. Der Appetit kam sozusagen mit dem Essen.
Mathematik war eines meiner Lieblingsfächer im Gymnasium. Die Kombination mit Wirtschaft habe ich gewählt, weil ich von Wirtschaft keine Ahnung hatte und der Meinung war, dass ich das ändern musste. Ausserdem wollte ich nach dem Studium einen Job in der Wirtschaft suchen. Ich habe zwar nach Abschluss des Diplomstudiums auch ein paar Semester Soziologie studiert, bin dann aber doch in der Ökonomie hängen geblieben. Insofern war die Studienwahl wohl richtig.
Bevor unsere Kinder auf die Welt kamen, hatte ich einen stressigen Job als Head of Research der damals grössten österreichischen Investmentbank. Ich war während der grossen Privatisierungswelle in Osteuropa an vielen Mergers & Acquisitions beteiligt. In so einem Job muss man 24 Stunden für die Kunden zur Verfügung stehen. Nachdem wir nach Zürich gezogen waren, erhielt ich ein sehr gutes Angebot für eine vergleichbare Aufgabe. Zeitgleich hat sich aber unser zweites Kind angekündigt, und mir war klar, dass ich einen so belastenden Job nicht mit zwei kleinen Kindern annehmen kann. Ich bin also eher durch Zufall als mit Absicht wieder in der Wissenschaft gelandet.
Als ich meine erste Top-5-Publikation in der Zeitschrift «Econometrica» durchgebracht habe. Auch der Entscheid der Universität Zürich, mich zur ausserordentlichen Professorin für Entscheidungstheorie und experimentelle Entscheidungsforschung zu ernennen, hat mich unglaublich gefreut. Ich war bis dahin nur als Postdoc an der ETH angestellt, während meine beiden Mitarbeiter bereits Professorenstellen angetreten hatten.
Beruflich hat mich die Krise quasi in den Vorruhestand katapultiert. Ich hatte dieses Semester keine Lehrveranstaltungen und Prüfungsverpflichtungen mehr. Die Betreuung meines Masterstudenten und meines Doktoranden konnte ich zudem sehr gut von zu Hause aus bewerkstelligen. Persönlich hat mich die Situation stark an den Frühling 1986 erinnert, als der Reaktor in Tschernobyl in die Luft geflogen ist. In Wien war man vergleichsweise nah dran, und radioaktiver Fallout ist genauso unsichtbar wie das Coronavirus. Obendrein war auch das Wetter damals so wie in Zürich: strahlend blauer Himmel, angenehme Temperaturen. Wahrscheinlich haben sich viele Menschen in Zürich, zumindest zu Beginn des Lockdowns, wie ich damals so gefühlt, als wären sie im falschen Film gelandet. Schade, macht sich der Klimawandel nicht so unmittelbar und drastisch bemerkbar wie die Pandemie.
Eine der schönsten Seiten meines Berufs sind der Kontakt und der Austausch mit jungen Menschen, das wird mir fehlen. Andererseits freue ich mich darauf, nicht mehr für jede Publikation kämpfen zu müssen.
*Normalerweise treffen wir uns für das Gespräch im Lieblingsrestaurant der porträtierten Person. Aufgrund der Corona-Pandemie war dies für diese Ausgabe nicht möglich.
Autorin: Fabienne Schumacher