Navigation auf uzh.ch
Alumna Tamara Giger war viele Jahre im Retail tätig, bevor sie sich mit ihrer Agentur für Inneneinrichtung selbständig gemacht hat. Im Porträt verrät sie, warum sie aufgehört hat, Fünf-Jahres-Pläne zu machen.
Ich brauche Farbe um mich. Fast jede Wand in meiner Wohnung ist farbig. Die knalligste ist pink. Die Art, wie man wohnt und mit welchen Dingen man sich umgibt, soll einem Geborgenheit geben und ist sehr individuell. Ich persönlich kaufe etwas ein, weil ich Freude daran habe und es dann hege und pflege, um es noch meinen Töchtern weiter vererben zu können. Auch das Thema Nachhaltigkeit spielt dabei eine Rolle. Wenn ich ein nachhaltiges Produkt kaufe und nach einem Jahr wieder wegwerfe, ist das nicht nachhaltig.
Sie haben selbst den Schritt in die Selbständigkeit gewagt. Wann haben Sie gespürt: Das ist der richtige Weg für mich?
Mitte dreissig gelangte ich an einen Punkt, an dem ich beruflich anstand. Ich war damals Einkäuferin und Produkt-Designerin in einem grossen Warenhaus und arbeitete unter anderem mit Agenten zusammen, die Vertretungen von Brands aus dem Ausland machten. Ich wollte ein bisschen Farbe in diesen Berufszweig bringen und spürte, dass meine Kompetenz im Bereich Textilien, Retail und Betriebswirtschaft einen Unterschied machen könnte. Mein Erfolg bestätigt heute dieses Gefühl. Ich hatte auch Glück, dass mein damaliger Partner und Vater meiner Töchter mich sehr unterstützt hat – sowohl mental, aber auch im Haushalt und mit den Kindern. So habe ich die Agentur aufgebaut.
Meine Mutter hat mir immer gesagt: «Lerne etwas, das dir Selbständigkeit ermöglicht.» Selbständigkeit ist aber nicht für jede*n etwas. Für mich bedeutet es, Freude zu haben, an dem, was man tut, daran zu glauben und sichdarin wiederzuerkennen. Aber auch zu spüren, wenn es nicht das Richtige ist und den Mut aufzubringen, aufzuhören. Man lernt aus Erfahrungen und aus Fehlern.
Sie haben ursprünglich an der Universität Zürich Wirtschaft studiert. Was haben Sie in dieser Zeit gelernt?
Selbständigkeit und Durchhaltewille. Du musst es wollen und machen. Niemand ist da, der dir sagt, was du tun musst. Und diesen Drive brauche ich auch, ich muss mich täglich selbst motivieren.
Auf die Suche nach sich selbst gehen: Wer will ich sein? Was interessiert mich? Was ist mir wichtig? Das sind die schwierigsten Fragen, denen man sich stellen kann. Und immer hinterfragen, auch wenn eine Professorin, ein Elternteil oder ein Vorgesetzter sagt: So ist es. Es gibt viele Möglichkeiten, viele Antworten und Lösungen. Kein Weg ist richtig oder falsch. Ein eigenes Unternehmen zu gründen und führen ist enorm anspruchsvoll. Wie gehen Sie mit Herausforderungen um? Eine Herausforderung ist stets als Frage zu verstehen: Schau nicht in die Zukunft, in die Vergangenheit sowieso nicht, sondern schau, was heute ist. Kann ich heute etwas ändern, das Problem lösen? Wenn nicht, dann lass es sein, morgen ist ein neuer Tag. Ich habe aufgehört, Fünf-Jahres-Pläne zu machen. Man kann nicht so weit planen. Und das ist gut so.
Ich habe zwei Mädchen und ich will, dass sie über ihre Mutter sagen, dass sie es auf ihre Art und Weise gut gemacht hat. Ich will für sie eine Inspiration sein und ihnen zeigen, dass sie alles machen können, was sie wollen – und dass sie immer meine Unterstützung haben. Sie sollen diesen Esprit mitnehmen.
Ich hoffe, dass vor allem junge Frauen etwas wagen. Ich sehe bei ihnen so viel Freude und Aufbruchstimmung. All ihnen möchte ich mitgeben: Das Wichtigste ist, dass ihr etwas findet, das euch Freude bereitet.
Autorin: Graziella Bomio
Bilder: Caroline Krajcir