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Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät

Unser Alumnus: Thomas Oetterli

Alumnus Thomas Oetterli, CEO von Schindler, erklärt die Bedeutung des Freihandelsabkommens, den Paradigmenwechsel von Schindler in China und weshalb er von 200 km/h auf 5 km/h abbremsen musste.

Es gibt kaum ein international tätiges Unternehmen, das nicht in China vor Ort tätig ist oder mit China Handel betreibt. Für viele ist China ein wichtiger Absatz- oder Produktionsmarkt, für die meisten ist China gar der grösste Wachstumsmarkt.

Das trifft auch für Schweizer Unternehmen zu – und in besonderem Ausmass für Schindler. 60% aller weltweit neu installierten Aufzugsanlagen werden in China montiert, in China und Indien zusammen sind es knapp 70%. 1980 schon gründete Schindler in China ein Joint Venture, als erstes westliches Industrieunternehmen überhaupt.

Die Entwicklung der Gruppe ist ein Paradebeispiel für internationales Geschäften und internationales Management. Was bedeutet das Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und China für Schindler?

Thomas Oetterli
Ein Jahr in China ist wie fünf Jahre in Europa, sagt Schindler CEO Thomas Oetterli.

Für Thomas Oetterli, CEO und früherer Chinachef von Schindler, ist das Freihandelsabkommen vor allem ein Alleinstellungsmerkmal. Er erklärt: «Obschon die Befreiung gewisser Komponenten erst in den nächsten Jahren stattfinden wird, ist das Freihandelsabkommen wirtschaftlich und vor allem auch politisch sehr positiv.»

Produkte für China in China produzieren

Das Abkommen zeuge von der guten Beziehung zwischen China und der Schweiz und könne in Gesprächen mit Kunden und Regierungsvertretern diskutiert werden. Im Gegensatz zu früher habe Handel mit China für Schindler heute wenig Bedeutung, da mit Ausnahme von Spezialkomponenten und kleineren Spezialanlagen die meisten Produkte für den chinesischen Markt direkt in China produziert werden.

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Die Vergangenheit von Schindler in China sei heute immer noch wichtig, vor allem in Bezug auf das Beziehungsmanagement (Guanxi). Aber die Schweiz habe andere Qualitäten, die für sich selbst sprächen.

Oetterli betont: «Nicht nur bei Uhren und Schokolade, auch in unserem Geschäft ist Qualität sehr wichtig. In China hat Swissness auch im Aufzugsgeschäft einen Wert, der nicht unterschätzt werden darf.»

Der chinesische Kunde wolle gerade für Bauprojekte an besten Lagen ein Premiumprodukt, und mit einem Schindler-Aufzug werde eine Liegenschaft aufgewertet. «Der chinesische Kunde ist bereit, für die Marke Schindler einen gewissen Aufpreis zu zahlen.»

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Aber Qualität und Swissness alleine genügen nicht mehr, um erfolgreich zu sein. Unterschiedliche Kundensegmente haben eine unterschiedliche Preissensitivität und müssen verschieden bearbeitet werden.

Dennoch wird Oetterli nachdenklich: «Vor sieben Jahren schon, als der Markt noch zweistellige Zuwachsraten verzeichnete, war die Preisentwicklung bereits negativ. Bis 2016/17 hat sich der Wert des gesamten Marktes um ein Drittel reduziert – ein Minus von 15% bei den Stückzahlen, und ein Minus von rund 25% bei den Preisen. Das ist brutal, und darunter leiden alle Firmen.»

Heute betrage der Bedarf an Aufzügen und Fahrtreppen in China über 500’000 Stück pro Jahr, die Kapazität der Branche liege jedoch bei 1 Million Stück. Unter dem massiven Verdrängungsmarkt litten vor allem chinesische Unternehmen.

Internationale Anbieter dominieren

Bemerkenswert sei, dass die Aufzugsindustrie in China immer noch von grossen internationalen Anbietern dominiert werde, obschon chinesische Unternehmen prädestiniert seien, Technologien zu übernehmen, schnell zu adaptieren und mit neuen, effizienten Produktionsprozessen auf den Markt zu bringen.

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Die Dominanz der internationalen Unternehmen führt Oetterli auf drei Gründe zurück: ihren frühen Markteintritt, der zu einem schwierig aufzuholenden Vorsprung führte, der Übergang zu einer lokalen Produktion in einem frühen Stadium und das landesweite Netz an Niederlassungen.

Viele Firmen anderer Industrien hätten den chinesischen Markt lange als Exportmarkt behandelt und seien dann mit ihrer hohen Kostenbasis von chinesischen Anbietern überrannt worden, die eine tiefe Kostenbasis hatten. Die Aufzugsindustrie mit ihrer Produktion in China für China konnte hingegen mit gleich langen Spiessen arbeiten wie die chinesische Konkurrenz.

Doch was genau hat das für Schindler bedeutet? Oetterli konstatiert: «Schindler ging durch ein Tal der Tränen. Der Weg vom ursprünglichen Gründergedanken in China hin zu einer effizienten Organisation war schwierig. Wegen unserem sehr frühen Markteintritt brauchten wir Zeit, uns von unseren Joint-Venture-Partnern zu trennen, und wir sind erst 2007/08 aufgewacht.»

Was gut für China ist, ist gut für Schindler

Doch dann fand ein Paradigmenwechsel statt: «Was gut für Schindler ist, ist gut für China» wurde zu «Was gut für China ist, ist gut für Schindler». «Wir begannen, chinesische Produkte zu entwickeln, von Chinesen für den chinesischen Markt. Heute exportieren wir Produkte aus China in die ganze Welt», so Oetterli.

Schindler China müsse zum grossen Teil von Chinesen geleitet werden, und Schweizer Ingenieure hätten lernen müssen, zu akzeptieren, was ihnen von Chinesen gesagt werde. Oetterli betont: «Jedes westliche Unternehmen, das in China erfolgreich sein will, muss diesen Transformationsprozess durchlaufen.»

Heute geht es Schindler in China sehr gut, das Schweizer Unternehmen gehört zu den wichtigsten Playern im grössten Markt der Welt.

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Gibt es in China überhaupt echte Innovation? Das ganze Erziehungs- und Ausbildungssystem in China war historisch tendenziell aufs Auswendiglernen ausgerichtet, was wenig Eigeninitiative hervorbrachte.

Die neue Führungsgeneration hat jedoch an ausländischen Topuniversitäten studiert, und sie verfolgt zu den Themen Führung, Innovation und Kreativität einen ganz neuen Ansatz.

Vorreiterrolle des Westens nicht in Stein gemeisselt

«Im Bereich der digitalen Geschäftsmodelle sind Peking und Shenzhen neben dem Silicon Valley die weltweit grösste Treibkraft. Dort entstehen kreative Start-ups, und der Westen muss aufpassen, dass er in Sachen Innovation in einer Vorreiterrolle bleibt», betont Oetterli.

Die Schweiz tue gut daran, ihren Hochqualifizierten Sorge zu tragen, denn das Einzige, wodurch wir Schweizer uns abheben können, sei wegen fehlender anderer Ressourcen unser Know-how.

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Der Bemerkung, die Aufzugsindustrie per se sei wenig innovativ, widerspricht Oetterli dezidiert. Das Grundprodukt Aufzug werde immer nötig sein, damit vertikal gebaut werden kann. Ohne vertikale Beförderungsmöglichkeiten könne keine Stadt betrieben werden.

Aufzüge beginnen, mit dem Nutzer zu interagieren

Doch das reiche nicht mehr: «Aufzüge werden zum Teil des Ökosystems von Gebäuden, U-Bahn-Stationen und anderer Infrastruktur. Aufzüge beginnen, mit dem Nutzer zu interagieren und zu kommunizieren, sie kennen seine Gewohnheiten und reagieren darauf. Innovation in der Aufzugsindustrie bedeutet die Verbesserung und Ergänzung des bestehenden Produkts, und dies in einem rasend schnellen Tempo.»

Und: «Die Aufzugsindustrie hat vor hundert Jahren schon selbstfahrende Fahrzeuge eingeführt, Aufzüge waren der erste Ort, an dem Autonomous Driving Realität wurde.»

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Die Geschwindigkeit der Veränderungen in China sei atemberaubend, ein Jahr in China sei wie fünf Jahre in Europa: «Als ich vor zwei Jahren aus China zurückkam, hatte ich einen Reverse Cultural Shock. Ich fuhr mit 200 km/h auf der Autobahn und musste auf 5 km/h abbremsen.»

Und was macht Oetterli in Zusammenhang mit China Sorgen? «Das grösste Problem von China ist, dass die Leute denken, es sei ein Problem. China ist kein Problem. Es ist eine Chance.»

Autorin: Elisabeth Tester
Bilder: Rodolfo Sacchi

Weiterführende Informationen

Thomas Oetterli

Der Aufzugsbauer

Thomas Oetterli ist seit 2016 CEO von Schindler. Er trat 1994 ins Unternehmen ein und hielt diverse internationale Funktionen. Zuletzt war er verantwortlich für das Geschäft in China. Sein Studium in Betriebswirtschaftslehre an der Universität Zürich hat er 1996 abgeschlossen.

Oec. Magazin

Auszug aus dem Oec. Magazin, Ausgabe 9, Juni 2018.