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Analytisches Denken, gepaart mit Gespür für Ästhetik und einer Prise Freude: Wenn Rudi Bindella Jr. mit gleich viel Begeisterung über einen Fior di Latte, Beleuchtungskonzepte und Führungsthemen spricht, vereinen sich Ökonom, Gastgeber und Geniesser in einer Person.
Rudi Bindella Jr. – ein klingender Name, der die Abgrenzung zum Senior bereits in sich trägt. Nomen est omen: Das Familienunternehmen Bindella steht nebst Gastronomie und Weinhandel auch für Weinbau, Immobilien und Handwerk und gilt gemeinhin als eine der bekannten Gastro-Dynastien der Schweiz. Seit 2010 im familieneigenen Betrieb tätig, trägt Bindella Jr. seit 2018 offiziell die Gesamtverantwortung für Gastronomie, HR und Marketing. Genug Zeit, um einen eigenen track record aufzubauen – wie etwa das Restaurant «Più» bei der Sihlpost – und um seinen eigenen Stil zu finden. Der oft zitierte Vergleich zum Senior ehre ihn heute daher vielmehr, als dass er ihn störe.
Das glaubt man ihm gerne: Geerdet und authentisch wirkt der 43-jährige im Gespräch. Spuren von Arroganz sucht man vergebens. Womöglich auch deshalb, weil er in allen Tätigkeitsbereichen des Unternehmens schon gearbeitet hat – sei es als Jugendlicher als Lagerist, im Service oder in der Küche. Diese Erfahrungen seien heute wichtig und hilfreich für seine Glaubwürdigkeit, aber auch für sein eigenes Verständnis den Mitarbeitenden gegenüber, erklärt Bindella.
Es herrscht eine angenehme Atmosphäre am Hauptsitz von Bindella an der Hönggerstrasse in Zürich, wo bereits morgens um acht Uhr Teelichter in den Gängen der Büroräumlichkeiten brennen und sich Rudi Bindella Jr. im Sitzungszimmer persönlich um die richtige Dimmung der Lämpchen kümmert. Entweder man hat die Gastgebermentalität im Blut, oder nicht.
Als neugierig, direkt, unternehmenslustig und experimentierfreudig würde sich Bindella selbst beschreiben. Dies zeige sich auch bei seinen Projekten, wo er sich besonders stark im konzeptionellen und visuellen Bereich einbringe. Dort ist der Blick fürs Detail gefragt, was sich vom eleganten und nachhaltigen Design von Trennwänden über die Auswahl des Bestecks bis hin zur Beleuchtung erstreckt. Und wenn Bindella leidenschaftlich vom speziellen Fior di Latte aus der Region Benevento Nähe Napoli schwärmt, wird klar, dass seine persönliche Bezeichnung als «Geniesser» nicht nur Teil seiner gastronomischen DNA, sondern vielmehr auch ein wichtiges Erfolgsrezept ist.
Auch bei seinem Berufswunsch spielte die Leidenschaft zuvorderst mit. Die Vision, nämlich der Einstieg in das familieneigene Geschäft, stand bereits als Kind fest. Beim Ökonomiestudium lernte er vor allem strukturiertes Arbeiten, aber auch Themen wie die Bewertung eines Betriebs. Seine Studienzeit verbindet er mit durchwegs positiven Erinnerungen. Nebst tollen Freundschaften erinnert er sich noch gut an Koryphäen wie Rudolf Volkart, emeritierter Professor für Banking und Finance, welcher mit ein Grund gewesen sei, weshalb er überhaupt Finanzwissenschaften studiert habe. Und ja, er habe durchaus auch in der Mensa zu Mittag gegessen, erwidert er lachend auf die Frage, ob Student Rudi damals nur die familieneigenen Restaurants frequentiert habe.
Welchen Rat er seinem studentischen Selbst von damals geben würde? Durchziehen, und von Anfang an die nötige Seriosität reingeben, ohne dabei den studentischen Ausgleich ausser Acht zu lassen. Und mit Herzblut bei der Sache sein – dann komme es gut. Liebe, was tu tust, oder ganz getreu dem Leitsatz des Familienunternehmens: «La vita è bella.»
Dieser Leitsatz wird zurzeit auf eine harte Probe gestellt: Der erste Covid-bedingte Lockdown sei für die Betriebe ein Schock gewesen, so Bindella. Er sei jedoch dankbar, diese Erfahrungen in vergleichsweise jungen Jahren zu machen und mit seinem Vater einen Sparringpartner mit langjähriger Erfahrung an seiner Seite zu haben. Mit 1317 Mitarbeitenden habe man eine grosse soziale Verantwortung, überdurchschnittliche Belastbarkeit ist gefragt. Ein wahrer Kapitän zeige sich dann, wenn die Zeiten auf Sturm stehen. Daher versucht Rudi Bindella Jr. positiv und zuversichtlich zu bleiben, und lebt sein persönliches «bella vita» tagtäglich in kleinen Momenten.
Autor: Charlotte Ulmann
Bilder: Esteban Castle